Sechs Monate nach ihrem Amtsantritt am 1. Mai 2025 steht die schwarz-rote Bundesregierung unter Friedrich Merz (CDU) und Lars Klingbeil (SPD) vor einer beispiellosen Legitimationskrise. Nur noch 37 Prozent der Deutschen bewerten ihre Arbeit als „eher gut“ – ein neuer Tiefstand, wie die aktuelle ARD-DeutschlandTREND-Umfrage vom 3. bis 5. November 2025 zeigt. Gleichzeitig erreicht die AfD mit 27 Prozent im ZDF-Politbarometer vom 18. bis 20. November 2025 einen Rekordwert und liegt erstmals gleichauf mit der CDU/CSU. Die Koalition aus Union und SPD wird von nur noch 22 Prozent der Wahlberechtigten positiv bewertet – ein Verlust von sechs Prozentpunkten seit der Regierungsbildung. Die Enttäuschung ist nicht nur groß, sie ist systemisch.

Ein Land, das nicht mehr glaubt, dass die Regierung etwas schafft

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 59 Prozent der Deutschen halten die Arbeit der Bundesregierung für „eher schlecht“. Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis einer langen, sichtbaren Blockade. Ob Energiepolitik, Wohnungsneubau oder die Reform der Krankenversicherung – fast jedes Vorhaben scheitert an inneren Grabenkämpfen. 61 Prozent der Befragten sehen die CDU/CSU als „eher zerstritten“, 54 Prozent die SPD. Selbst die Grünen, die in der Opposition oft als einheitlich gelten, werden von 45 Prozent als uneinig wahrgenommen. Die AfD hingegen – obwohl selbst nicht unumstritten – wird von 48 Prozent als „eher einig“ eingeschätzt. Das ist der Kern der Krise: Die Wähler glauben nicht mehr, dass die Regierung handlungsfähig ist. Sie sehen eine Regierung, die sich selbst blockiert, während die AfD als konsistente, wenn auch kontroverse Alternative erscheint.

Warum die AfD profitiert – und warum sie nicht unbesiegbar ist

„Die Enttäuschung über die Politik der anderen Parteien“ ist laut 60 Prozent der Befragten der wichtigste Grund für den AfD-Erfolg. Besonders auffällig: Selbst 39 Prozent der AfD-Anhänger nennen diese Enttäuschung als Hauptmotiv – nicht ideologische Überzeugung, sondern Protest. Das ist entscheidend. Die AfD gewinnt nicht nur, weil Menschen ihr Programm mögen, sondern weil sie die Regierung verachten. Das ist eine fragile Basis. Und das zeigt sich auch in einer überraschenden Zahl: 69 Prozent der Deutschen, darunter sogar 47 Prozent der AfD-Wähler, glauben, dass die Partei an Stärke verlieren würde, „wenn die Bundesregierung Fortschritte auf wichtigen politischen Feldern erzielt“. Das ist kein Widerspruch – das ist eine Chance. Die Wähler der AfD sind nicht fest verhaftet. Sie sind verärgert. Und das macht sie verletzlich.

Die Zahlen im Detail: Wer verliert, wer gewinnt

Im ZDF-Politbarometer liegt die AfD mit 27 Prozent gleichauf mit der CDU/CSU. Die SPD kommt nur noch auf 14 Prozent, die Grünen auf 12, die Linke auf 10. Die FDP und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bleiben bei 3 Prozent – und damit außerhalb des Bundestags. Doch der wahre Schock kommt bei der Frage: Wem trauen die Deutschen zu, die wichtigsten Aufgaben des Landes zu lösen? Nur 19 Prozent geben das der AfD, 27 Prozent der Union. Aber: 27 Prozent trauen keiner Partei mehr zu. Das ist der wahre Alarmzustand. Es geht nicht nur um Parteipräferenzen. Es geht um das Vertrauen in das politische System als Ganzes. Und das bröckelt.

Was kommt als Nächstes? Die Zeit läuft

Die Koalition hat nicht mehr viel Luft. Die nächste Bundestagswahl ist erst im Herbst 2029 – aber die nächste Krise kommt früher. Die Bundesbank warnt vor einer weiteren Rezession, die Energiepreise bleiben volatil, und die Altersvorsorge droht zu kollabieren. Wenn die Regierung bis zum Frühjahr 2026 keine konkreten, spürbaren Erfolge vorweisen kann – etwa bei der Senkung der Mieten, der Digitalisierung der Behörden oder der Reform der Pflegeversicherung – wird die Unzufriedenheit nicht nur weiter steigen, sie wird sich institutionalisieren. Dann wird die AfD nicht mehr als Protestpartei, sondern als Regierungspartei wahrgenommen. Und das wäre ein Wendepunkt, den die Demokratie nicht unbeschadet überstehen würde.

Die Stimme der Experten: „Es ist kein ideologischer Sieg, sondern ein Vertrauensbruch“

Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen hat die Zahlen jahrelang analysiert. „Der Anstieg der AfD ist kein Sieg der Rechten“, sagt er. „Es ist ein Ausdruck des Vertrauensverlusts in die etablierten Parteien. Die Wähler geben nicht ihre Stimme der AfD – sie nehmen sie den anderen weg.“ Das ist der entscheidende Unterschied. Die AfD profitiert nicht von einer Idee, sondern von einer Lücke. Und diese Lücke entsteht nicht durch ihre Programme, sondern durch die Untätigkeit der Regierung. Die Frage ist nicht, ob die AfD stark ist. Die Frage ist, ob die Regierung noch handlungsfähig ist.

Was bedeutet das für die Zukunft der Demokratie?

Die Zahlen aus dem Insa-Umfrage für die „Bild am Sonntag“ zeigen eine weitere Gefahr: 13 Prozent der Stimmen gehen an Parteien, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Das bedeutet: Fast jeder siebte Wähler hat keine Stimme mehr, die zählt. Und das macht die Parlamentsarbeit unmöglich. Selbst wenn CDU/CSU und SPD eine Koalition bilden wollen, reichen ihre Stimmen nicht mehr aus – nur 40 Prozent der Wähler würden das unterstützen. Eine Ampel aus SPD, Grünen und Linken käme auf 36 Prozent. Das ist kein Regierungswunsch – das ist eine Systemkrise.

Frequently Asked Questions

Warum steigt die AfD, obwohl ihre Politik so umstritten ist?

Die AfD gewinnt nicht durch Überzeugung, sondern durch Protest. 60 Prozent der Befragten nennen die Enttäuschung über die etablierten Parteien als Hauptgrund – sogar 39 Prozent der AfD-Wähler. Die Partei profitiert davon, dass die Regierung als unfähig und zerstritten wahrgenommen wird. Ihre eigenen Programme spielen dabei eine untergeordnete Rolle.

Könnte die Regierung ihre Zustimmung noch retten?

Ja – aber nur mit konkreten, spürbaren Erfolgen. 69 Prozent der Deutschen, inklusive 47 Prozent der AfD-Anhänger, glauben, dass die AfD an Stärke verlieren würde, wenn die Regierung Fortschritte bei Mieten, Pflege oder Energie macht. Es geht nicht um große Reden – sondern um konkrete Verbesserungen im Alltag.

Warum trauen 27 Prozent keiner Partei mehr zu, die Aufgaben zu lösen?

Das ist das tiefste Signal der Krise: Die Menschen sehen keine Partei als handlungsfähig. Die CDU ist zu zerstritten, die SPD zu schwach, die Grünen zu unpraktisch, die Linke zu isoliert – und die AfD zu radikal. Diese Leere ist gefährlich, denn sie öffnet Tür und Tor für populistische Lösungen, die keine sind.

Wie groß ist die Gefahr, dass die AfD regieren könnte?

Aktuell ist eine Regierungsbeteiligung der AfD rechtlich und politisch ausgeschlossen. Doch wenn die Unzufriedenheit weiter steigt und die anderen Parteien weiter versagen, könnte die AfD 2029 als stärkste Kraft in den Bundestag einziehen. Dann wäre sie nicht mehr nur Opposition – sie wäre der größte Hemmschuh für demokratische Kompromisse.

Warum sind die Umfrageergebnisse so unterschiedlich zwischen ARD, ZDF und Insa?

Das liegt an Methodik und Zeitpunkt. ARD und ZDF nutzen repräsentative Stichproben mit Telefon- und Online-Befragungen, Insa arbeitet mit größeren Stichproben und anderer Gewichtung. Auch die Fragestellungen variieren – etwa, ob nach Parteipräferenz oder nach Vertrauen in die Lösungsfähigkeit gefragt wird. Doch alle zeigen denselben Trend: sinkende Zustimmung, steigende AfD.

Was bedeutet der Rekordwert der AfD für die nächste Wahl?

Er ist ein Warnsignal – kein Endpunkt. Die AfD hat noch keine echte Regierungsfähigkeit bewiesen. Doch wenn die Regierung bis 2027 keine Glaubwürdigkeit zurückgewinnt, könnte die AfD 2029 mit über 30 Prozent die stärkste Kraft werden. Dann wäre die deutsche Demokratie vor einer historischen Prüfung.